Kinder-“Gepolter“ in Nachbarwohnung ist hinzunehmen

Von einer Nachbarwohnung ausgehender Kinderlärm ist grundsätzlich als sozialadäquat, zumutbar und zu akzeptierendes typisches Verhalten hinzunehmen. Das hat das Amtsgericht (AG) München entschieden und die Klage von Nachbarn auf Unterlassung weiterer Ruhestörung abgewiesen. Dabei hat das AG auch betont, dass Eltern nicht ohne weiteres für ein Fehlverhalten ihrer Kinder verantwortlich seien, Bauen und Wohnen wenn die Kinder schon über 14 Jahre alt sind. Denn Kinder in diesem Alter ließen sich häufig nichts mehr von ihren Eltern sagen.

Die verheirateten Kläger leben in einer Mietwohnung direkt unter der Wohnung des beklagten Ehepaares mit deren 14 und 16 Jahre alten Kindern. Das Mietshaus wurde 1962 in massiver Bauweise errichtet. Die Kläger tragen vor, dass die Beklagten laute Geräusche verursachten, die in ihrer Wohnung hörbar seien. Die Beklagten oder deren Kinder würden auch während der Mittags-, der Nacht- oder der Feiertagsruhe herumrennen und herumtrampeln. Es würden Türen zugeschlagen, was in ihrer Wohnung hörbar sei und eine erhebliche Belästigung darstelle. Es gehe von den Beklagten und ihren Kindern ein ständiger Lärm aus, der weit darüber hinausgehe, was zugestanden werden müsse. In dem von ihnen über drei Monate bis zur Klageerhebung geführten Lärmprotokoll finden sich nahezu täglich bis zu acht Eintragungen über Lärmen und Poltern vor allem in den Nachmittags- und Abendstunden bis spätestens 22.30 Uhr. Nach einer ersten Vereinbarung – noch vor den Aufzeichnungen – sei es mit den Beklagten nur für kurze Zeit besser geworden. Danach sei es wieder wie vorher gewesen.

Der Beklagte erklärt in der Hauptverhandlung, dass die behaupteten Ruhestörungen nicht der Wahrheit entsprächen. Der Beklagte arbeite als Kraftfahrer an wechselnden Tagen von 7 bis 22 Uhr, seine Ehefrau von 7 bis 16 Uhr. Die Kinder seien von 7 bis 17 Uhr in der Schule.

Das AG München gab den Beklagten Recht. Zwar könne ein Mieter von einem Mieter desselben Mehrfamilienhauses unter dem Gesichtspunkt der Besitzstörung gegebenenfalls die Unterlassung nicht hinzunehmender Geräuschbeeinträchtigungen verlangen. Dass die aus der Wohnung der Beklagten tretende Geräuschentwicklung ein nicht mehr hinnehmbares sozialadäquates Maß überschritten hätte, sei nicht ersichtlich. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass in Räumen, die unterhalb einer anderen Wohnung liegen, mit dem Auftreten von Geräuschen aus der darüber liegenden Wohnung zu rechnen sei.

Das gelte erst recht, wenn es sich wie im Streitfall um einen Altbau aus dem Jahr 1962 handelt, in dem kein moderner Standard der Geräuschdämmung erwartet werden könne. Kinderlärm sei als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung grundsätzlich als sozialadäquat, zumutbar und zu akzeptierendes typisches Verhalten anzusehen, betont das Gericht. Auszugehen sei dabei von der Wohnung als familiengeschütztem Raum und dem Umstand, dass Kinder meist in jedem Lebensalter gewisse Störungen hervorrufen.

Dabei komme es auch auf die übrigen Verhältnisse im Haus und das Lebensalter der Kinder und Jugendlichen sowie die Verhältnisse der Eltern an. Zwar müssten die Eltern als Mieter ihnen alles Zumutbare unternehmen, Störungen von anderen Mietern fernzuhalten. Jedoch seien die beklagten Eltern nicht ohne weiteres verantwortlich, wenn sich die 14- bis 16-jährigen Kinder von ihnen nichts mehr sagen lassen. Im Zweifel sei für das Kind und dessen Eltern zu entscheiden. Selbst wenn vereinzelt, wie vom Kläger behauptet, nach 22 Uhr „Rumpeln“, „Rumgetrampel“ beziehungsweise „Rumgepolter“ in einem Maße vernehmbar gewesen sein sollte, das nicht mehr sozialadäquat hinnehmbar gewesen wäre, so liege nahe, dass dies zumindest auch durch die Kinder der Beklagten verursacht worden ist, für deren gelegentliche Verstöße die Beklagten aus den vorgenannten Gründen nicht haftbar zu machen sind.

Das Urteil ist nach Zurücknahme der Berufung rechtskräftig.

AG München, Urteil vom 23.05.2017, 283 C 1132/17, rechtskräftig