Vermutung einer Versorgungsehe erfolgreich widerlegt

Auch wenn eine Ehe erst nach Feststellung einer Berufskrankheit geschlossen wird und der betroffene Ehemann innerhalb des ersten Ehejahres stirbt, kann ein Anspruch auf Witwenrente bestehen. Dies hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück entschieden.

Die klagende Witwe lernte den im August 2015 verstorbenen Versicherten 2005 kennen. Im Jahr 2010 zogen sie in eine gemeinsame Wohnung. Beide bezogen zunächst Erwerbsunfähigkeitsrenten und seit 2014 jeweils eine eigene Altersrente.

Im Dezember 2013 erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) bei dem Versicherten das Bestehen einer Berufskrankheit nach der Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (Lungenkrebs in Verbindung mit Asbestose) seit Dezember 2012 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 100 Prozent an. Am 04.05.2015 heirateten die Klägerin und der Versicherte, am 30.08.2015 verstarb der Ehemann an einer Lungenembolie.

Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Witwenrente lehnte die BG unter Hinweis auf die Regelung des § 65 Absatz 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ab, da die Ehe erst nach dem so genannten Versicherungsfall (Dezember 2012) geschlossen worden war und der Tod innerhalb des ersten Jahres dieser Ehe eingetreten ist. Die BG hielt die gesetzliche Vermutung, dass alleiniger Zweck der Heirat ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei, für nicht widerlegt.

Diese Einschätzung hat sich das SG Osnabrück nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Zeugenvernehmung nicht angeschlossen. Es geht vielmehr davon aus, dass der Versorgungsgedanke nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war. Die klagende Witwe habe eine feste Heiratsabsicht zwischen den späteren Eheleuten bereits vor dem Eintritt des Versicherungsfalls im Dezember 2012 nachweisen können. Zur Umsetzung der Heiratsabsicht sei es dann vorerst durch äußere Umstände, insbesondere den Tod der Schwester der Klägerin, nicht gekommen.

Außerdem sei die Ausstellung der erforderlichen Unterlagen für die Eheschließung beim zuständigen Standesamt bereits im März 2014 veranlasst worden. Ferner hätten die Klägerin und der Versicherte die Mietwohnung gemeinsam behindertengerecht umgebaut, was aus gerichtlicher Sicht für die Planung einer längeren gemeinsamen Zukunft spricht. Schließlich sei zu würdigen, dass die Klägerin selbst über eine ausreichende Versorgung aus ihrer Altersrente und einer zusätzlichen Betriebsrente verfügt, sodass als zumindest gleichwertiges Motiv für die Eheschließung das Motiv der Klägerin festzustellen sei, den Versicherten als Ehefrau verantwortlich versorgen zu können.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung zum Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen angefochten werden.

Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 28.02.2019, S 8 U 90/16, nicht rechtskräftig