Rückabwicklung von Bauträgerfällen: Anspruch auf Erstattungszinsen bejaht

Das FG Baden-Württemberg hat das Finanzamt verpflichtet, zugunsten eines Bauträgers Erstattungszinsen in Höhe von insgesamt 204.630 Euro festzusetzen, weil in den Streitjahren 2009 bis 2011 auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung zu Unrecht Umsatzsteuer für die Eingangsleistungen des Bauträgers erhoben worden war. Gegen das Urteil ist Revision beim BFH anhängig (XI R 4/18).

Die Klägerin ist als Bauträger tätig. Sie erwirbt Grundstücke, lässt diese von Bauunternehmern bebauen, teilt die Gebäude in Wohnungen auf und verkauft diese. Die Klägerin setzte in ihren ursprünglichen Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 nach § 13b Absatz 5 Satz 2, Absatz 2 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung die Umsatzsteuer für Bauleistungen von Bauunternehmern an („Reverse Charge“), die sie für ihre steuerfreien Grundstückslieferungen verwendete. Die Klägerin folgte dabei der damaligen Verwaltungsauffassung. Im Anschluss an das Urteil des BFH vom 22.08.2013 (V R 37/10) berichtigte sie ihre Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2011 und forderte die zu Unrecht gezahlte Umsatzsteuer zurück. Das Finanzamt erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide und verrechnete die Umsatzsteuererstattung mit den an sie abgetretenen (zivilrechtlichen) Ansprüchen der Bauunternehmer gegen die Klägerin auf Nachzahlung der Umsatzsteuer. Es setzte in den Änderungsbescheiden keine Erstattungszinsen fest. Einen Antrag auf Festsetzung von Erstattungszinsen lehnte es ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.

Das Finanzamt sei verpflichtet, den Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 233a Absatz 1 und 3 der Abgabenordnung (AO) zu verzinsen, so das FG. Die Herabsetzung der festgesetzten Umsatzsteuern für die Jahre 2009 bis 2011 führe zu einem Unterschiedsbetrag zugunsten der Klägerin. Der Zinslauf beginne jeweils 15 Monate nach Ablauf eines jeden Streitjahrs (§ 233a Absatz 2 AO). Der Zinslauf beginne nicht aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses erst zu einem späteren Zeitpunkt. Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Anspruchs des leistenden Bauunternehmers auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer an die Finanzbehörde sei kein rückwirkendes Ereignis im Hinblick auf den Umsatzsteuererstattungsanspruch der Klägerin. Die Steuerfestsetzung bei ihr sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil zu keiner Zeit die Voraussetzungen für die Verlagerung der Steuerschuldnerschaft vorlagen.

Die Abtretung des (zivilrechtlichen) Umsatzsteueranspruchs des leistenden Bauunternehmers an die Finanzbehörde stelle auch keine aufschiebende Bedingung für die Entstehung des (zu verzinsenden) Umsatzsteuererstattungsanspruchs der Klägerin dar. Das Finanzamt habe keinen Verwaltungsakt erlassen, in dem es eine solche aufschiebende Bedingung ausgesprochen habe (§ 120 Absatz 2 Nr. 2 AO). Der (zu verzinsende) Anspruch der Klägerin auf Erstattung der zu viel gezahlten Umsatzsteuer entstehe vielmehr – unbedingt – kraft Gesetzes ohne weitere Voraussetzungen beziehungsweise Handlungen der Beteiligten. Die Klägerin müsse ihrem Zinsanspruch auch nicht den Grundsatz von Treu und Glauben entgegenhalten lassen. In dem Antrag auf Herabsetzung der  festgesetzten Umsatzsteuer um die zu Unrecht festgesetzte Steuer könne kein treuwidriges Verhalten der Klägerin gegenüber dem Finanzamt erblickt werden. Diese habe – wie die gesamte Baubranche – auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung irrig angenommen, Steuerschuldnerin zu sein. Diese Annahme habe sich als unrichtig erwiesen. Der Antrag auf Herstellung eines rechtmäßigen Zustands könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden. Im Übrigen habe die Klägerin die vom Finanzamt erbetenen Auskünfte zu den leistenden Bauunternehmern erteilt, damit diese ihre (zivilrechtlichen) Ansprüche auf Nachzahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtreten.

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 07.12.2017, 1 K 1293/17