Abgas-Skandal: Kein Zeugnisverweigerungsrecht für Robert Bosch GmbH

In zwei Streitverfahren von Kapitalanlegern gegen die Porsche Automobil Holding SE wegen Verletzung so genannter Ad-hoc-Mitteilungspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem VW-Abgas-Skandal hat das Landgericht (LG) Stuttgart gegenüber der Drittbeteiligten Robert Bosch GmbH die Herausgabe von Unterlagen angeordnet, insbesondere einer Reihe von E-Mails. Hiergegen wandte sich die Robert Bosch GmbH unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aus sachlichen Gründen gemäß § 384 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diesen Einwand hat das LG Stuttgart durch Zwischenurteil zurückgewiesen.

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 1 ZPO setzt voraus, dass durch die Beantwortung der Frage ein unmittelbarer vermögensrechtlicher Schaden verursacht wird. Nach Auffassung des LG verursacht die Urkundenvorlage keinen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden bei der Robert Bosch GmbH. Die Robert Bosch GmbH sei als bloßes Zulieferunternehmen nicht für den Schutz von Kapitalanlegern ihrer Vertragspartner verantwortlich. Erst recht treffe sie eine solche Verantwortung nicht gegenüber Anlegern sonstiger Unternehmen, wie der Porsche Automobil Holding SE, zu denen die Robert Bosch GmbH in keinerlei Geschäftsbeziehung stehe.

§ 384 Nr. 2 ZPO begründe ein Zeugnisverweigerungsrecht (ergo: Herausgabeverweigerungsrecht) über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem Angehörigen zur Unehre gereichen oder der Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Auch diese Gefahr sieht das LG durch die Herausgabe der Unterlagen nicht als gegeben an. Durch die angeordnete Herausgabe der Unterlagen, die ein compliancegemäßes Verhalten bis Juni 2008 attestierten, setze sich die Robert Bosch GmbH gerade nicht der Gefahr der Strafverfolgung aus. Denn diese Unterlagen könnten gerade nicht kausal für spätere Aufsichtspflichtverletzungen ab dem Jahr 2009 sein. Im Übrigen stünde einer etwaigen Verfolgungsgefahr das Prozesshindernis der Verjährung entgegen.

Schließlich lehnte das LG ein Verweigerungsrecht nach § 384 Nr. 3 ZPO ab. Danach darf die Beantwortung von Fragen verneint werden, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren. Bei der Softwaremanipulation der Motorsteuerung handele es sich um eine wettbewerbswidrige Praxis. Die Rechtsordnung erkenne nur in engen Grenzen die Geheimhaltung illegaler, wettbewerbswidriger Geheimnisse an. Vorliegend sei die Robert Bosch GmbH nicht schutzwürdig, da die Vorlage der Urkunden nicht in Rechtsgüter Unbeteiligter eingreife, sondern sich gegen den Gefahrverursacher, die Volkswagen AG, richte.

Das Zwischenurteil kann von der Robert Bosch GmbH mit der sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht Stuttgart angefochten werden.

Landgericht Stuttgart, Zwischenurteil vom 13.07.2018, 22 O 205/16 und 22 O 348/16, nicht rechtskräftig