Gesellschaftsrecht: Reform soll Firmengründungen erleichtern und Steuervermeidung bekämpfen

Die Europäische Kommission will mit neuen Regeln das Gesellschaftsrecht im europäischen Binnenmarkt modernisieren. Mit den Vorschlägen vom 25.04.2018 sollen Unternehmensgründungen komplett digital vorgenommen werden und Umorganisationen und grenzüberschreitende Umzüge auf der Grundlage gemeinsamer Bestimmungen erfolgen können. Gleichzeitig enthalten die neuen Vorschriften strenge Vorkehrungen zum Schutz von Arbeitnehmerrechten sowie von Gläubiger- und Aktionärsinteressen. Mit den neuen Vorschriften sollen außerdem Kunstkonstrukte zur Steuervermeidung vermieden werden.

Bislang verfügen nur 17 Staaten über ein Verfahren, bei dem alle für eine Unternehmenszulassung erforderlichen Schritte online abgewickelt werden können. Mit den aktuellen Vorschlägen der Kommission sollen Unternehmen in die Lage versetzt werden, sämtliche Schritte zur Gründung einer GmbH oder einer Zweigniederlassung mittels grenzübergreifend zugänglicher digitaler Angebote mit der gebotenen Sicherheit online abwickeln zu können. Die Digitalisierung soll Unternehmensgründungen effizienter und kostengünstiger machen. Denn eine Online-Registrierung dauere im Durchschnitt halb so lange wie eine Registrierung mittels herkömmlicher Papierformulare, so die Kommission. Sie rechnet damit, dass Online-Registrierungsverfahren gemäß den neuen Vorschriften für die europäischen Unternehmen zu Einsparungen zwischen 42 und 84 Millionen Euro jährlich führen.

Dank des in den Vorschlägen vorgesehenen Grundsatzes der einmaligen Anlaufstelle müssten Unternehmen nicht länger die gleichen Informationen mehrfach unterschiedlichen Behörden vorlegen, fährt die Kommission fort. Künftig würden mehr Informationen über Unternehmen in den Unternehmensregistern kostenlos einsehbar sein.

Um Betrug oder Missbräuche zu verhindern, sollen die nationalen Behörden künftig untereinander Informationen über Personen, die von Geschäftsführungs- oder Vorstandsfunktionen ausgeschlossen wurden, abrufen und in Betrugsverdachtsfällen eine Präsenz vor Ort einfordern können. Außerdem sollen sie das Recht erhalten, die Beteiligung bestimmter Personen oder Einrichtungen (zum Beispiel von Notaren) am Verfahren zu verlangen.

Mit dem Vorschlag sollen Verfahren auf EU-Ebene eingeführt werden, die es den Unternehmen ermöglichen, ihre vertraglichen Beziehungen und ihrer Rechtspersönlichkeiten auch bei einem Umzug in ein anderes EU-Mitgliedsland (so genannte grenzüberschreitende Umwandlung) und bei einer grenzüberschreitenden Spaltung in zwei oder mehr neue Gesellschaften aufrechtzuerhalten. Zudem werden die Regeln für Fusionen mit in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen aktualisiert.

Ziel dieser Vorschläge ist es laut Kommission, den Umzug oder die Neuorganisation von Unternehmen im gesamten Binnenmarkt rechtlich einfacher und billiger zu gestalten. Derzeit verfügten nicht alle Mitgliedstaaten über innerstaatliche Vorschriften über die Umwandlung und Spaltung von Unternehmen, und dort, wo es sie gibt, wiesen sie von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat zu große Unterschiede auf. Das halte viele Unternehmen davon ab, wirtschaftliche Chancen zu nutzen, da der bürokratische Aufwand zu hoch scheine, so die Kommission. Außerdem müssten manche der Betroffenen (Beschäftigte, Gläubiger, Minderheitsaktionäre) eine Gefährdung ihrer Interessen befürchten.

Mit den neuen Vorschriften dürften im Binnenmarkt tätige Unternehmen erhebliche Kosten sparen, erwartet die Kommission. Die Schätzungen reichten von 12.000 bis 19.000 Euro je Vorgang und insgesamt zwischen 176 und 280 Millionen Euro in einem Zeitraum von fünf Jahren. Die vorgeschlagenen Verfahren für grenzüberschreitende Umwandlungen und Spaltungen enthalten spezifische Vorkehrungen, die es den einzelstaatlichen Behörden erleichtern, gegen Missbräuche vorzugehen. So würden beispielsweise künstliche Konstrukte, durch die ungebührliche Steuervorteile erlangt oder gesetzliche oder vertragliche Rechte von Beschäftigten, Gläubigern oder Minderheitsaktionären unterlaufen werden sollen, untersagt, erläutert die Kommission. In diesen Fällen könne die zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats das betreffende Vorhaben stoppen – auch schon im Planungsstadium. Andere Schutzklauseln seien zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer vorgesehen.

Europäische Kommission, PM vom 25.04.2018