Schüler bei schulisch veranlassten Gruppenarbeiten unfallversichert

Eine vom Lehrer veranlasste Gruppenprojektarbeit ist Teil des versicherten Schulbesuchs, auch wenn sie außerhalb der Schule erledigt werden kann. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden.

Schüler stehen während des Besuchs allgemeinbildender Schulen unter dem Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung. Das BSG stellt dabei in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob sich der konkrete Unfall noch im „organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule“ ereignet hat. Im Fall eines 15-jährigen Realschülers, der im Rahmen einer schulischen Projektarbeit stürzte und seitdem auf einen Rollstuhl angewiesen ist, hat es entschieden, dass dieser einen versicherten Unfall erlitten hat.

Auch während schulisch initiierter Gruppenarbeiten, die außerhalb des Schulgeländes nach Unterrichtsschluss stattfinden, seien Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen folglich kraft Gesetzes unfallversichert. Der Schüler habe im Musikunterricht gemeinsam mit drei Mitschülern einen Videoclip erstellen sollen. Da die Gruppe im Unterricht mit dem Clip nicht fertig geworden sei, habe sie sich zu den Dreharbeiten mit Billigung der Musiklehrerin nach Unterrichtsschluss im häuslichen Bereich eines Mitschülers getroffen. Bei den Dreharbeiten habe in der Gruppe Streit gegeben, weswegen der klagende Schüler auf dem Heimweg von einem der Klassenkameraden erheblich verletzt wurde. Die beklagte Unfallkasse lehnte es laut BSG ab, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren, weil es sich bei den Dreharbeiten um Hausaufgaben gehandelt habe, die grundsätzlich in den Verantwortungsbereich der Eltern fielen.

Dem hat das BSG – wie schon die Vorinstanz – widersprochen. Zwar hat es an seiner Rechtsprechung festgehalten, dass kein Versicherungsschutz besteht, wenn Schüler ihre Hausaufgaben im Selbststudium zu Hause erledigen. Es liege jedoch keine „Hausaufgabe“ mehr vor, wenn Lehrkräfte Schülergruppen aus pädagogischen oder organisatorischen Gründen zusammenstellen und mit einer Aufgabe betrauen, die die Gruppe außerhalb der Schule selbstorganisiert lösen soll. Dann setze sich der Schulbesuch in der Gruppe fort, in der neben fachlichen zugleich auch soziale und affektive Kompetenzen untereinander vermittelt und eingeübt werden sollen.

Während schulisch veranlasster Gruppenarbeiten finde für jedes Gruppenmitglied „Schule“ und damit ein „Schulbesuch“ ausnahmsweise an dem Ort und zu dem Zeitpunkt statt, an dem sich die Gruppe zur Durchführung der Projektarbeit trifft. Denn bei solchen Gruppenarbeiten würden Schüler zur Verwirklichung staatlicher Bildungs- und Erziehungsziele füreinander „in Dienst genommen“, was ihren Unfallversicherungsschutz bei gleichzeitiger Haftungsfreistellung der Mitschüler erfordere und rechtfertige. Dies gelte umso mehr, als das Unfallgeschehen durch einen jugendtypischen Gruppenprozess ausgelöst worden sei, dessen Ursache letztlich in der Zusammenstellung der Gruppe durch die Lehrkraft gelegen habe.

Als Teil des „Filmteams“, das die Musiklehrerin im Unterricht aus Schülern zusammengestellt hatte, habe der klagende Schüler als „Schauspieler“ am Drehort für die Erstellung des Videoclips versicherte Tätigkeiten im Rahmen eines projektbezogenen Schulbesuchs verrichtet. Damit sei der sich anschließende Heimweg ebenfalls versichert gewesen und der Schüler habe einen von der Wegeunfallversicherung erfassten Schülerunfall erlitten.

Bundessozialgericht, Urteil vom 23.01.2018, B 2 U 8/16 R