Anlagebetrug mit nicht existierenden Blockheizkraftwerken: Betroffene Anleger können Kapitalverlust steuerlich geltend machen

Beteiligt sich der Anleger an einem von ihm nicht erkannten Schneeballsystem, das aus seiner Sicht zu gewerblichen Einkünften fuhren soll, ist er berechtigt, den Verlust seines Kapitals steuerlich geltend zu machen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Musterverfahren für mehr als 1.400 geschädigte Anleger entschieden.

Im Streitfall hatte der Kläger mit mehreren Gesellschaften der X-Gruppe Vertrage über den Erwerb von Blockheizkraftwerken abgeschlossen und die Kaufpreise gezahlt. Den späteren Betrieb der Blockheizkraftwerke hatte er vertraglich an die X-Gruppe übertragen; die wirtschaftlichen Chancen und Risiken aus dem Betrieb sollten beim Kläger liegen. Tatsachlich hatten die Verantwortlichen der X-Gruppe jedoch niemals beabsichtigt, die Blockheizkraftwerke zu liefern. Sie hatten vielmehr ein betrügerisches „Schneeballsystem“ aufgezogen und wurden hierfür später strafrechtlich verurteilt. Wenige Monate nachdem der Kläger die Kaufpreise gezahlt hatte, wurden die Gesellschaften der X-Gruppe insolvent. Die vom Kläger geleisteten Zahlungen waren verloren.

Das Finanzamt wollte die Verluste des Klägers einkommensteuerlich nicht berücksichtigen, weil es ihn als bloßen Kapitalgeber ansah und bei den Einkünften aus Kapitalvermögen kein Abzug von Werbungskosten möglich ist. Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, dass die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Einkunftsart, der die verlorenen Aufwendungen zuzuordnen sind, nach der Sichtweise des Steuerpflichtigen im Zeitpunkt des Abschlusses der maßgeblichen Verträge vorzunehmen sei. Die besseren objektiv-rückblickenden Erkenntnisse seien hingegen nicht maßgeblich. Aufgrund der Vertrage über den Erwerb und den Betrieb der Blockheizkraftwerke habe der Kläger hier davon ausgehen dürfen, Gewerbetreibender zu sein. Gewerbetreibende durften Verluste auch dann –als vorweggenommene Betriebsausgaben –abziehen, wenn letztlich niemals Einnahmen erzielt werden.

Die Entscheidung des BFH beschränkt sich auf das so genannte Verwaltungsvertragsmodell der X-Gruppe. Uber das von dieser Gruppe ebenfalls angebotene „Verpachtungsmodell“ brauchte der BFH eigenen Angaben zufolge hingegen nicht zu entscheiden.

Gleichwohl werde sich das erstinstanzlich tätig gewesene Finanzgericht Munster nochmals mit dem Verfahren befassen müssen. Denn der BFH habe es als möglich angesehen, dass die beabsichtigte Investition als Steuerstundungsmodell (§ 15b des Einkommensteuergesetzes) anzusehen ist. In diesem Fall wäre ein Abzug der Verluste nicht zulässig. Ob es sich tatsachlich um ein  Steuerstundungsmodell handelt, werde in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden sein.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 07.02.2018, X R 10/16